Freund hört mit

 

Recht haben und Recht bekommen ist zweierlei. Wer schon einmal versucht hat, eine Forderung vor Gericht durchzusetzen, weiß, dass er Beweise braucht, also wenigstens einen Zeugen. Da heute jedes Telefon über eine Mithöreinrichtung verfügt, ist der Zeuge oft schnell bei der Hand bzw. bei Ohr. Das missfällt allerdings dem Bundesgerichtshof, der ein heimlich mitgehörtes Telefongespräch als Eingriff in das „allgemeine Persönlichkeitsrecht" ansieht und seine Verwertung als Beweismittel nur in Ausnahmefällen - in der Regel also gar nicht - zulässt (Urteil vom 18.02.2003, XI ZR 165/02).


Tritt der Rechtssuchende allerdings seine Forderung an eine Vertrauensperson ab und erhebt diese dann Klage, so hat der bisherige Anspruchsinhaber im Prozess die Stellung eines Zeugen und kann sich ohne Rücksicht auf das Persönlichkeitsrecht des anderen im Zeugenstand zu allen Einzelheiten auslassen.


Diese Kuriosität ist ein Ergebnis des grundsätzlichen Misstrauens, das unsere Zivilprozessordnung (ZPO) der Parteiaussage entgegenbringt. Die ZPO lässt die Einvernahme einer Prozesspartei zum Beweis ihres eigenen Vorbringens erst nach Ausschöpfung aller anderen Beweismittel zu - und wenn solche nicht zur Verfügung stehen, dann eben gar nicht. Begründet wird dies damit, man wolle der Partei die Last der Aussage und der eventuellen Beeidigung und den damit verbundenen Interessenkonflikt ersparen. In der Vorstellung des Gesetzgebers sind Prozessparteien also grundsätzlich Lügner, denn ein Interessenkonflikt könnte nur dann entstehen, wenn eine Prozesspartei bei ihrer Einvernahme etwas anderes sagen müsste, als in ihren Schriftsätzen steht. Außerdem sieht der Gesetzgeber den Konflikt des Klägers, den Prozess zu verlieren, offenbar als weniger belastend an, als seine Aussage: Also: Ohne Zeugen lieber schweigend verlieren, als selbst aussagen! Das versteht doch jeder, oder?


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© Dr. Thomas M. Hellmann