Nach der Behandlung in die Zelle

 

Wer demnächst nach einer ärztlichen Behandlung vom medizinischen Personal an einen Stuhl gefesselt, eingesperrt oder in sonstiger Weise am Fortgehen gehindert wird, sollte sich nicht wundern. Möglicherweise ist dies nur eine natürliche Reaktion der Heilkundigen auf die neueste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH).


Ausgangspunkt war ein Fall, in welchem ein für eine Magenspiegelung sedierter Patient trotz ärztlichen Hinweises auf seine Fahruntüchtigkeit mit seinem Auto nach Hause gefahren und dabei tödlich verunglückt war (Urteil vom 08.04.2003, VII ZR 265/02). Ehefrau und Kinder verklagten den Chefarzt des Krankenhauses auf entgangenen Unterhalt -mit Erfolg. Der BGH war der Auffassung, der Chefarzt hätte den Patienten in einem Raum mit ständiger Überwachung unterbringen müssen, um ihn daran zu hindern, sich „gegebenenfalls unbemerkt zu entfernen". Eine Aufklärung Über die Folgen der verabreichten Medikamente allein reichte nach Ansicht des BGH ebenso wenig aus wie die Zusicherung des Patienten, er werde ein Taxi nehmen. Noch nicht einmal ein Mitverschulden des Flüchtigen ließ der BGH gelten.


Obwohl er in seinem Urteil ausschließlich mit dem „unbemerkten" Entfernen befasst, darf angenommen werden, dass der BGH mit einem „bemerkten" Entfernen erst recht nicht einverstanden gewesen wäre. Überwachung allein genügt also nicht, der Doktor muss vielmehr sedierte Patienten so lange einsperren, bis sie wieder voll verkehrstauglich sind. Arrestzellen oder Behandlungsstühle mit Fußfesseln sollten daher ab sofort zur Grundausstattung eines jeden modernen Krankenhauses gehören.


Umgekehrt gilt: Wer Dummheiten begeht, sollte wenigstens versuchen, andere die Folgen tragen zu lassen -am besten mit der Begründung, man habe ihn nicht gehindert, sich selbst zu schaden.


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© Dr. Thomas M. Hellmann