Telefonsex für die ganze Familie

 

„Jeder Ehegatte ist berechtigt, Geschäfte zur Deckung des angemessenen Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen". Diese so genannte „Schlüsselgewalt" ist geregelt in § 1357 Abs. 1 BGB.


Wer nun bei „Lebensbedarf der Familie" an Grundbedürfnisse wie das Huhn im Topf oder die lange Unterhose denkt, muss sich vom BGH eines Besseren belehren lassen: Abzustellen ist auf den Lebenszuschnitt, wie er nach außen in Erscheinung tritt und nicht, ob dabei ein echter Bedarf befriedigt wird.


Bei einem derart weiten Verständnis fällt natürlich so einiges unter die Haftungserstreckung des § 1357 BGB, was mancher möglicherweise nicht von vorne herein als Bedarf einer Familie erkennen würde. So hatte sich der BGH mit der Frage zu befassen, ob es noch unter die Schlüsselgewalt fällt, dass der teure Gatte durch intensive Nutzung einer 0190-TeIefonsexnummer eine Monatsrechnung von DM 6.375,75 erzeugt hatte, für die nun seine Ehefrau aufkommen sollte (BGH 11.03.2004, III ZR 213/03). Und siehe da: Nach dem Verständnis unserer obersten Zivilrichter kommt es nur darauf an, dass der Telefonanschluss zur Deckung des angemessenen Lebensbedarfs der Familie dient, wozu er genutzt wird, ist unerheblich.


Das eröffnet natürlich ungeahnte Perspektiven für die Weiterentwicklung des familiären Zusammenlebens: Nachdem man inzwischen alles Mögliche über derartige Telefonnummern bestellen und bezahlen kann, steht einer ungehinderten Entfaltung des Lebensbedarfs der einzelnen Familienmitglieder kaum mehr etwas im Wege. Trotzdem bleibt einiges ungeklärt, so etwa, ob auch der Freund der Tochter seinen Lebensbedarf an Telefongestöhne auf Kosten des „Familienanschlusses" bedienen kann. Alles wichtige Fragen, die hoffentlich bald einer höchstrichterlichen Klärung zugeführt werden.


Dabei darf natürlich nie aus den Augen verloren werden, wozu der § 1357 BGB eigentlich dient: Dem Schutz von Ehe und Familie. Die Vorschrift sei „ehefördernden Gehalts", hat das Bundesverfassungsgericht entschieden (NJW 1990, S. 175).


Das leuchtet angesichts des zitierten BGH-Urteils mindestens ebenso ein, wie das Bestreben, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften möglichst umfassend an die Ehe anzugleichen: Zumindest im Interesse der Telefonsexanbieter.


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© Dr. Thomas M. Hellmann