Wer den Schaden hat

 

Die Flutkatastrophe im August 2002 warf bei Betroffenen die Frage auf, ob sie Schadensersatz vom Staat verlangen können. Die Rechtsprechung folgt dem Grundprinzip: Je höher das Wasser, desto niedriger die Ansprüche. Dieses Paradoxon hängt mit dem Begriff „Naturkatastrophe" zusammen: Weicht eine Flut extrem von einer vorhersehbaren Hochwasserlage ab, kann der Staat hierfür keine Vorsorge treffen - und muss nicht haften. Das kann zu kuriosen Ergebnissen führen: Verliert jemand sein gesamtes Hab und Gut weil ihm die Flut alles weggerissen hat, war das ein schicksalhaftes Naturereignis. Säuft aber einem Bauern nach dem Sommergewitter der Acker ab, weil ein Gemeindearbeiter einen Abflussgraben nicht von Unrat gesäubert hat, kann es vollen Ersatz geben.


Nach der Augustflut 2002 hat sich ähnliches abgespielt: Stand jemand bis zum Obergeschoss unter Wasser, bekam er nichts, weil kein Amtsträger dies verhindern konnte. Hat aber ein Amtsträger am Rand des Flutgebiets einen Schieber nicht rechtzeitig geschlossen und läuft deshalb ein Schrebergarten voll, kann das zur vollen Amtshaftung führen. Sind Schäden nur deshalb eingetreten, weil Warnungen zu spät kamen, kann auch dies Amtshaftungsansprüche auslösen. Allerdings haftet der Staat bei fährlässiger Amtspflichtverletzung nur dann, „wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz verlangen kann" (§ 839 Absatz 1 Satz 2 BGB). Anderer Ersatz, etwa aus Versicherungen oder Hilfsfonds, hat also Vorrang. Wer den Staat verklagt, muss beweisen, dass er für seinen Schaden keine anderweitige Ersatzmöglichkeit hat (BGHZ 121, 65 ff.) oder hatte (zum Beispiel bei Verlust infolge Verjährung, BGH BB 92,950).


Forsche Anwälte, die sich mit Klagedrohungen gegen den Staat hervortun, sollten deshalb einen Blick ins Gesetz werfen. Viel wichtiger als juristisches Muskelspiel ist die unverzügliche Meldung von Schäden, in erster Linie an die Gemeinden. Nur wer auf allen alternativen Wegen keinen vollständigen Ersatz für Hochwasserschäden bekommt, kann für Restschäden auf die Amtshaftung zurückgreifen. Die Haftung nach dem Haftpflichtgesetz greift in Fällen höherer Gewalt nicht (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 HPflG). Wird ein Grundstück absichtlich geflutet, um andere zu entlasten, hat der Eigentümer jedoch Anspruch auf Entschädigung (BGH 20.02.1992, MDR1992,875). In alln Fällen hängt die Haftung von der Vorhersehbarkeit des Wasseranfalls ab.


Abschließend noch ein Tipp: Schadensersatzklagen wegen Amtshaftung oder nach Haftpflichtgesetz können - abhängig vom Vertrag - unter die Deckung der Rechtsschutzversicherung fallen.


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© Dr. Thomas M. Hellmann